Dienstag, 13. Juni 2017

DAS Richtige: Fremdbetreuung oder Kindergartenfrei?

Gestern bin ich über einen Artikel gestolpert, der mich noch den ganzen Tag und die ganze Nacht beschäftigt hat und weshalb ich zu dem Thema jetzt mal meine Meinung loswerden muss. Es war ein Artikel, indem von den Schäden im Urvertrauen und der Bindung berichtet wurde, die eine Fremdbetreuung hervorrufen (ich möchte den Artikel an dieser Stelle nicht verlinken, da ich den Blog nicht unterstützen möchte, kann ihn aber auf Nachfrage weitergeben).

Es hat mich so wütend gemacht, wie allen Frauen, die nicht mindestens drei Jahre zu Hause bleiben, um sich um ihr kleines Kind zu kümmern, ein schlechtes Gewissen gemacht wurde. Kein Wunder, dass es immer noch so viele Mütter gibt, die an sich und ihren Fähigkeiten als Mutter zweifeln, wenn solche Artikel im Umlauf sind.

Aus dem Grund stelle ich hier einmal dar was ich zu dem Thema denke. Dabei sei zu beachten, dass auch meine Tochter seit sie 13 Monate ist täglich in einer Kita betreut wird.

Was ist eigentlich der natürliche Weg?


Bei der Kritik an der Fremdbetreuung ist das Hauptargument, dass es nicht natürlich sei das Kind schon mit einem Jahr oder gar früher von seiner Mutter oder zumindest einer engen Bezugsperson zu trennen und dem muss ich vorbehaltlos recht geben. Kinder brauchen Bindung, Kinder brauchen Beziehung und das am Anfang sehr stark zu ein paar wenigen Personen, damit sie Vertrauen aufbauen können, das sogenannte Urvertrauen. Nur so können sie selbständig werden.

Ist also die Variante, dass (im Normalfall) die Mutter die ersten drei oder gar sechs Lebensjahre des Kindes zu Hause bleibt das natürliche Verhalten? Ganz klar: Nein. In keiner natürlichen Umgebung hält eine Gemeinschaft es aus, wenn eine Frau sich für mehrere Jahre, bei vielen Kindern sogar Jahrzehnte, nur auf die eigenen Kinder und den Haushalt konzentriert und der Mann alleine für den Unterhalt aufkommen muss. In einer natürlichen Umgebung wäre das Kind selbstverständlich bei der Mutter, während sie arbeitet. Ob auf den Rücken gebunden bei der Feldarbeit oder auf einer Decke strampelnd bei der Näharbeit. Später würde das Kind dann von anderen Frauen der Familie oder größeren Geschwistern betreut werden. So viel zum Ideal Großfamilie.

Das Wohlergehen aller Familienmitglieder ist das wichtigste für ein glückliches Familienleben.


Doch obwohl diese beiden Varianten nicht unserer Natur entsprechen, sind es nun einmal leider die einzigen, die unsere heutige Gesellschaft zu bieten hat. Und pauschal zu sagen, welche der beiden die besser für Mutter und Kind ist finde ich ziemlich anmaßend. Denn auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht so wirkt, als sei das Kindergartenfrei besser für ein bindungsorientiertes Familienleben, da man so komplett auf die Bedürfnisse des Kindes eingeht, muss ich diese Verallgemeinerung vehement zurückweisen.

Für das glückliche Heranwachsen eines Kindes ist das Wohlergehen der Eltern mindestens genauso wichtig, wie das Erfüllen der direkten Bedürfnisse, denn beides kann man gar nicht getrennt betrachten. Stellt euch einmal eine Mutter vor, die nur zu Hause bleibt, weil sie das Gefühl hat es dem Kind gegenüber schuldig zu sein. Mal ganz abgesehen davon, welchen Stress mögliche finanzielle Sorgen auslösen können, wird es dieser Mutter nicht gut gehen. Im schlimmsten Fall bekommt sie ernsthafte psychische Probleme, weil sie ihre Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung im Beruf oder Beteiligung am Unterhalt der Familie nicht befriedigen kann.
Genauso ergeht es einer Familie, in der die Mutter arbeiten geht, obwohl sie dabei das Gefühl hat das Kind zu vernachlässigen, wenn sie dadurch insgesamt unglücklich ist. Eine völlig frustrierte und unglückliche Mutter kann seinem Kind nicht die nötige Sicherheit geben, die es braucht.

Es gibt kein Richtig oder Falsch


Somit gibt es nicht DAS Richtige allgemeingültige Modell für die Kinderbetreuung. Jede Familie muss für sich den besten Weg finden. Sei es, dass beide Elternteile voll arbeiten und die dadurch verkürzte Familienzeit umso mehr genießen, dass eine Teilzeitvariante die Dauer der täglichen Fremdbetreuung reduziert, man die Möglichkeit und die Freude daran hat mehrere Jahre mit dem Kind komplett zu Hause zu bleiben oder dass man vielleicht die Großeltern oder eine Tante mit in die Betreuung einbeziehen kann. Das wichtigste bei der Entscheidung ist, dass es für die gesamte Familie die beste Lösung ist und nicht nur für einen kleinen Teil davon.

Für unsere Familie bedeutet es, dass mein Mann Vollzeit arbeitet, weil er das starke Bedürfnis hat die Familie gut zu versorgen und die Arbeit ihm Selbstverwirklichung bietet. Ich hingegen arbeite Teilzeit, da es mir wichtig ist, dass unsere Tochter nicht volle 9 Stunden in der Kita sein muss, ich jedoch auch meine persönliche Herausforderung in der Arbeit und eine Selbstverwirklichung in der hoffentlich irgendwann erreichten Promotion suche. Im momentanen Beschäftigungsverbot geht meine Tochter trotzdem fast jeden Tag in die Kita, da ich etwas Zeit für mich brauche und auf diese Weise am Nachmittag und Abend sehr viel Geduld, Energie und Freude für sie habe. Außerdem ist sie an die Kita gewöhnt und es geht ihr gut dort.
Mit dieser Variante kommen wir sehr gut klar und doch kann es für die Familie gegenüber das völlig falsche Modell sein.

Es sei nochmal betont, dass keine Mutter weniger wert ist oder eine schlechte Mutter ist, nur weil sie sich nicht komplett aufgibt um für ihr Kind da zu sein! Du bist eine gute Mutter solange du dein Kind mit viel Liebe durchs Leben begleitest! Merk dir das!

6 Kommentare:

  1. Ich finde es wichtig, dass Eltern darauf aufmerksam gemacht werden, dass frühe Fremdbetreuung für ihr Kind nicht das gelbe vom Ei ist, denn mich erschreckt viel mehr der Trend, dass grade in städtischen Gebieten die Kinder ab dem ersten Geburtstag fremdbetreut werden. Dass es eher komisch ist, wenn man das Kind erst ab dem dritten Geburtstag in den Kindergarten bringt..Viele Eltern gehen davon aus, dass die frühe Fremdbetreuung ihren Kindern etwas gutes tut. O-Ton - der/die braucht langsam andere Kinder und muss spielen lernen. Fakt ist, dass es einen Haufen Studien gibt die untersuchen, wie sich die frühzeitige Betreuung auf die Kinder auswirkt. Es gibt keinerlei positive Auswirkungen auf die unter Dreijährigen - allerdings viele negative Outcomes für die Kinder, welche nicht mit einer natürlichen Resilienz gesegnet sind. Als Erwachsener bin ich immer in der Pflicht meine Bedürfnisse gegen die meines Kindes abzuwägen. Ich kann das Nichtgefordert-sein drei Jahre aushalten (wenn es mit dem Finanziellen hinhaut), aber was tut eine eventuelle Überforderung mit dem Kind? Ich bin als Erwachsener in der Verantwortung für mein Kind - und nicht umgekehrt. Und das bedeutet auch manchmal die Reißleine zu ziehen und nicht auf die frühe Fremdbetreuung zu beharren.

    Stresslevelmessungen bei den Kleinsten zeigen, dass vor allem Kinder, die sich im Krippenalltag zurückziehen und wenig auffällig sind einen hohen Cortisol-Ausstoß haben, also muss auch das: "Es war alles gut" der ErzieherInnen nicht unbedingt die richtige Antwort auf das Befinden des Kindes sein.

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  2. Ich gebe dir Recht, dass es sicherlich nicht im Interesse des Kindes ist so viel Zeit in der Obhut Fremder zu verbringen, das habe ich ja auch so geschrieben. Dennoch gibt es mehr zu bedenken als das direkte Bedürfnis des Kindes und vor allem finde ich es falsch Eltern generell zu verurteilen, die nicht ihr ganzes Leben komplett aufgeben. Unsere Gesellschaft ist leider sehr kinderunfreundlich, aber wenn Eltern sich kaputt machen, um das irgendwie zu umgehen haben die Kinder letztendlich auch nicht wirklich was davon. Was wir eigentlich brauchen ist ein genrelles Umdenken was das Eingliedern der Kinder in die Gesellschaft betrifft. Es hilft jedenfalls nicht Müttern, die es aus welchem Grund auch immer nicht schaffen ihr Kind bis zum 3. Geburtstag oder darüber hinaus selber zu betreuen, einzureden, dass sie schlechte Mütter sind und ihrem Kind nur schaden und am Besten gar nicht erst welche bekommen sollten. Wie schon gesagt, wir sind nicht dazu gemacht den ganzen Tag zu Hause zu sitzen und unser Kind zu betreuen. Es sollte Alternativen zu den zwei Konzepten geben.

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  3. Mir geht es bei dem Diskurs hauptsächlich darum verzweifelten Müttern aufzuzeigen, dass es auch okay ist, wenn sie ihr Kind zuhause betreuen. Dass sich eine Mutter nicht rechtfertigen muss, wenn sie der Meinung ist, dass ihr Kind eher nach Hause als in eine Kindereinrichtung gehört. Dass die Sorgen einer Mutter, ihrem Kind könnte eine Fremdbetreuung nicht gut tun, ernst genommen werden. Und dass die Mutter weiß, dass diese Stimme in ihrem Kopf richtig ist. Viele selbstunsichere Mütter lassen sich mit: "Da muss das Kind durch und das hat uns auch nicht geschadet" überzeugen und handeln somit gegen ihr Gefühl und das Wissen, dass dies nicht der richtige Weg für sie und ihr Kind ist. Deswegen ist dieser Diskurs so wichtig - um diesen Müttern zu zeigen: Ja - du hast Recht. Ein Leben ohne Fremdbetreuung ist gut für dein Kind - es verpasst hier nichts.

    Und mich stört ein bisschen der Gedanke des "kaputt gemacht werdens". Wenn mein Kind mit kaputt macht, bin ich dann nicht in der Verantwortung die tieferen Ursachen der geringen Belastbarkeit zu erschließen? Ich muss immer an meine Nichte denken, die sich bei ihrer Tagesmutter absolut nicht wohlfühlt - sie weinte monatelang jeden Morgen vor dem Abgeben, schon beim Anziehen zuhause. Meine Schwägerin ist derzeit mit dem Babysohn zuhause. Demnach müsste die Große nicht fremdbetreut werden - zumindest nicht bis 16 Uhr. Sie wird hier dafür bestraft, dass ihre ELtern zwei Kinder im geringen Abstand bekommen haben und ihre Mutter die Belastung mit zwei Kindern nicht aushält. Dabei hat sie nicht darum gebeten in diese Familie geboren worden zu sein. Sie kann doch nicht die Verantwortung dafür übernehmen, dass ihre Eltern sie in die Familie eingeladen haben, um dann zu merken, dass es doch ganz schön anstrengend ist. Soll es das sein? Sind Kindern wirklich eher für unser Wohlergehen verantwortlich, als wir für ihres?

    Es ist wichtig, absichtlich "blinden" Eltern zu zeigen, dass sie mit einer Fremdbetreuung unter Protest massiven Schaden anrichten können. Deswegen sind diese Texte wichtig!

    Ich denke eine Mutter die ihr Kind in guten Händen weiß und dieses Lebensmodell lebt und liebt, wird sich durch diese Stimmen nicht verunsichern lassen. Und sollte es auch nicht. Denn es gibt Kinder und Eltern für die das super passt. Aber es gibt eben auch diese, für die frühe Fremdbetreuung der falsche Weg ist und mit massiven Verunsicherungen des Kindes einhergeht....

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    1. OK, dann reden wir vielleicht ein kleines bisschen aneinander vorbei, denn mir geht es darum, dass nicht das zu-Hause-betreuen als das einzig wahre hingestellt wird, da es zugegebenermaßen nunmal die direkten Bedürfnisse des Kindes am besten erfüllt. In dem Artikel ging es eben darum die Mütter die zu Hause bleiben über alle anderen zu stellen. Und damit die, die das nicht tun, runterzumachen. Das hat mich einfach so sehr aufgeregt. Mir war nicht bewusst, dass Mütter die zu Hause bleiben tatsächlich Zweifel haben, dass es das richtige für ihr Kind sein könnte!? Vor allem in den ersten 3 Jahren. Später vielleicht, weil sozialer Kontakt irgendwann wichtig wird. Aber vorher? MEIN Kind braucht keine Kita. Ich brauche die Kita um meinem Kind und mir gerecht werden zu können.

      Und niemand muss sein Kind zu einer Tagesmutter geben, wo es sich nicht wohl fühlt. Es gibt immer Alternativen, die man wohl in diesem Fall auch suchen sollte. Aber das muss wohl jeder selbst entscheiden. Für mich geht es nur darum die besten Lösung für die GANZE Familie zu finden und nicht nur für einen Teil davon. Dabei müssen meist alle Kompromisse eingehen.

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  4. P.s. Mich würde der Link zu dem Text tatsächlich interessieren ;)

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    1. https://donotlink.it/http://www.naturvertrauen.com/fremdbetreuung-und-die-sache-mit-der-bindung/

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