Mittwoch, 31. Mai 2017

Wie weit darf oder sollte bindungsoritentiertes Familienleben gehen?

Auslöser für meine Gedanken zum bindungorientierten Erziehen (eigentlich mag ich das Wort 'Erziehen' gar nicht...) war ein Gespräch mit der Bezugserzieherin meiner Tochter, in dem angedeutet wurde, dass ihr ständiges Beißen anderer Kinder mit unserer "laschen" Erziehung zu tun haben kann.

Doch immer der Reihe nach:
Wie wahrscheinlich viele junge Eltern ging ich erstmal sehr unwissend und naiv an das Elternsein heran und dachte mir, es wird sich schon alles finden. Doch schon der Moment in dem meine Cousine mir erzählte, dass sie für ihren Sohn keinen Kinderwagen angeschafft haben ließ mich stutzen. Ich hatte es für selbstverständlich gehalten, dass man, wenn man ein Kind bekommt, auch einen Kinderwagen braucht. Aber wieso eigentlich? Ich wäre vielleicht nie auf die Idee gekommen, dass es auch ohne Wagen geht, wenn mich nicht jemand anders darauf gebracht hätte.

Das führte dazu, dass ich doch grübelte, ob es wohl ausreichend sei mich auf mein Wissen, das die Gesellschaft mir bot zum Thema Umgang mit Kindern zu verlassen. Es heißt ja man sollte auf sein Bauchgefühl hören, dieses ist jedoch stark von den äußeren Umständen geprägt. Bis zu diesem Schlüsselmoment hat mein Bauchgefühl gesagt, dass ich selbstverständlichen einen Kinderwagen brauche, wenn ich ein Kind bekomme. 

Ich bin sehr froh, dass es diesen Moment gab, in dem ich begann all die "Standard-Erziehungshinweise" zu hinterfragen. Und trotzdem macht es mir auch das Leben schwer, wenn ich bei jedem Punkt erstmal für mich ausklügeln muss, welches Verhalten ich richtig finde ohne mich dabei auf allgemein übliche Verhaltensweisen zu stützen. 

Natürlich habe ich seit dem auch viel gelesen, aber auch damit ist schwer umzugehen, wenn man doch nicht diese oder jene Erziehungsform sucht, sondern seine ganze eigene, mit der man selbst im Einklang ist. 

Ein Beispiel bei dem ich begann zu zweifeln, ob das alles so richtig ist, wie ich es mache ist folgendes: 
Ich habe schnell für mich erkannt, dass es die wichtigste Aufgabe von Eltern ist auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen und es nicht von oben herab zu behandeln. Das führt in vielen Situationen dazu, dass alles etwas länger braucht, da man zum Beispiel erstmal 10 Minuten lang dem Kind erklärt, warum es den nassen Body ausziehen muss, bevor es das ohne Geschrei zulässt oder eineinhalb Stunden neben dem Kind im Bett liegt und es in den Schlaf begleitet. Ich stelle mir oft die Frage was denn natürlich ist und kam zu dem Schluss, dass es nicht natürlich sein kann so viel aktive Aufmerksamkeit auf ein Kind zu lenken. Natürlich ist es einen Alltag zu leben, in den die Kinder ganz selbstverständlich integriert sind und durch Tragen und Teilhaben an allen familiären Aktivitäten bei allem dabei sind und keine Extrawurst brauchen. Wenn die Familie also baden geht ist klar, dass die Kinder auch baden. Aber wo ist da der Platz für die eineinhalb Stunden, die ich vorgestern brauchte, um meine Tochter davon zu überzeugen, dass es überhaupt nicht schlimm ist wenn man im Wasser ist und auch nicht wie am Spieß schreien muss. Wir haben sie von Anfang an immer mit ins Wasser genommen wenn wir gebadet haben und sie hat es geliebt, bis zu einem bestimmten Tag (keiner weiß genau was der Grund war) an dem sie plötzlich unglaubliche Panik hatte ins Wasser zu steigen.

Was also tun? Sie trotz Geschreis einfach zwingen mit ins Wasser zu kommen kann ja nicht die Lösung sein. Das fühlt sich für jeden falsch an. Sich viel Zeit nehmen und sie immer wieder ans Wasser heranzuführen hat zwar mit der Zeit (fast 3 Monate) Erfolg gezeigt, ist ja doch aber unter natürlicheren Umständen, in denen ich vielleicht noch 5 andere Kinder habe und trotz Schwangerschaft bis zum letzten Tag für die Familie sorgen muss nicht realistisch. Was also dann? Das Kind nicht baden, bis es irgendwann, sei es in 2 Monaten oder 2 Jahren, selbst wieder auf die Idee kommt, dass baden ja doch nicht so schlimm ist? Ist das für mich nur keine Option, weil die Gesellschaft mir sagt wie wichtig Hygiene ist oder würde ich die Gesundheit meines Kindes damit wirklich gefährden? Meine Art mit viel Geduld und Zeit damit umzugehen fühlte sich richtig an, aber was wenn ich diese nicht gehabt hätte? Werde ich bei zwei Kindern vielleicht doch total überfordert sein, weil ich versuche so sehr auf beide einzugehen, wie es im Moment meine Kräfte gerade bei einem erlauben? Ist das wirklich das Ziel von Elternschaft, sich fast 100 % nur um die Kinder zu drehen? Nein! Definitiv nicht! Aber wie geht es dem Kind dann trotzdem gut? Bin ich doch vielleicht einfach zu "lasch"? Klar stößt meine Tochter immer wieder an meine Grenzen, wo ich einfach nicht mehr kann oder einfach keine Nerven mehr habe, aber gut geht es uns beiden nicht wenn ich dann unwirsch reagiere.

Bindungsorientiert ist definitiv der richtige Ansatz für mich, aber wie weit darf das gehen?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen